Prof. Gholamasad: Thesen zur Islamischen Republik


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Konferenzbeitrag von Prof. Dawud Gholamasad:
Einige Thesen zu Charaktermerkmalen der „Islamischen Republik“

Prof. Dawud Gholamasad

Die „Islamische Republik“ ist die Manifestation der Triade des Verfallsyndroms: der Nekrophilie (Liebe zum Toten und alles Unlebendig), des bösartigen konfessionellen bösartigen Narziss-mus (Selbstliebe) und damit einhergehender Fremdenfeindlichkeit sowie der inzestuösen Symbiose der regressiven Kerngruppen der Macht und der Massenbasis dieser Herrschaftsform. Diese destruktiven Orientierungen bedingen als Manifestation ihrer Selbstzwänge:

  • Eine aggressive und destruktive innen- und außenpolitische Orientierung,
  • Den Verlust der Verhandlungsbereitschaft mit der als ewiger „Feind“ empfundenen „Weltgemeinschaft“ und mit den Reformisten um einen vernünftigen Ausgang aus diesen sich eskalierenden innen- und außenpolitischen Konflikten,
  • Den zunehmenden Verlust der Freiheit zwischen rationalen und irrationalen Interessen im Leben, zwischen Wachstum oder Stagnation und Tod zu entscheiden,
  • Die Unverhandelbarkeit der „absoluten Schrift-gelehrten Herrschaft“ als formeller und praktischer Negation der Volkssouveränität, und damit der Unformierbarkeit der „Islamischen Republik“

Die Grüne Bewegung symbolisiert die zunehmenden Wachstums-tendenzen der iranischen Gesellschaft, die Biophilie (Liebe zum Leben und Lebendigem), Individuelle Unabhängigkeit und Überwindung des kollektiven Narzissmus und damit einhergehende Empathiefähigkeit, Nächsten- und Fremdenliebe.

Die Triade des Verfallsyndroms manifestierte sich bereits in der zentralen Parolen der Massen während des Aufstandes und der „Islamisierung“ der Revolution: „Weder westlich noch östlich, islamische Republik.

Damit entpuppte sich der Khomeinismus als ein soziales Glaubenssystem im Gegensatz zum Kapitalismus und Kommunismus, in deren Namen sich Menschen bekämpften.

In Zentrum jedes sozialen Glaubenssystems steht die Frage, in welcher Weise Menschen ihr eigenes gesellschaftliches Leben miteinander ordnen sollen. Damit ist der Khomeinismus eine Antwort auf die Frage nach der normativen Struktur der Gesellschaft und ein Leitgedanke der Kämpfe, in die die Menschen verwickelt werden sollen.

Was Khomeini aber unter „IR“ verstand, hatte er bereits in den sechziger Jahren in seinem Exil in Irak in seinem Buch über den „Islamischen Staat“ (Velajat-e Faghih), die „schriftgelehrten Herrschaft“ dargestellt. Für ihn ist die normative Struktur der Gesellschaft durch die Shari´a vorgegeben, denn Koran und Überlieferungen liefern das ewig gültige normative Regelwerk für die Gesellschaft der Menschen von ihrem Geburt bis zum Tot.  

Sie seien nicht nur gültig für kurze Zeit der Herrschaft Muhammads und der ihm folgenden 12 Imame gewesen, sondern ewig.

Diese Regression wird mit der immer noch dauernden Verborgenheit des 12. Imam, Mahdi rationalisiert: Da der 12. Imam entrückt sei, sind die „Schriftgelehrten“ zur Durchsetzung dieser normativen Strukturen verpflichtet, um Chaos zu verhindern; denn es kann ja sein, dass der Mahdi noch einige Jahrtausende verborgen bleibe.

Ausgangspunkt seiner Begründung der Notwendigkeit der „Schriftgelehrten Herrschaft“ ist aber sein Menschen verachtendes Menschenbild als ewig Unmündige, die einen Vormund brauchen. Als Unmündige haben Menschen daher keine Rechte sondern nur Pflichten.

Seine Triade des Verfallsyndroms manifestiert sich daher in seiner:

  • Regressiven inzestuösen Symbiose mit der Shari´a als Quelle narzisstischer Befriedigung,
  • Narzisstischen Überheblichkeit, die Schriftgelehrten über Menschen zu erheben, über die sie als Gottes Stellvertreter absolute Gewalt ausüben  dürfen, wie sie in der Verfassung als „absolute Herrschaft des Schriftgelehrten“ institutionalisiert wurde.
  • Nekrophilen Betonung der Notwendigkeit der Shari´a als „Recht und Ordnung“, deren Aufrechterhaltung absolute Priorität zukommt. Dafür dürfen sogar „die primären Gebote des Islams“ suspendiert werden. Denn nicht die normative Struktur der Gesellschaft steht im Dienste der Menschen, sondern die Menschen stehen im Dienste dieser Ordnung, für deren Aufrechterhaltung alles erlaubt sei. Die postrevolutionäre Allgegenwart der  Gewalttätigkeit in der „IR“ und ihre aggressive außenpolitische Orientierung ist Folge dieser machiavellistischen und nekrophilen Tendenzen und der damit einhergehenden Mentalität paranoiden Hasses aller zum „Feind“ erklärten Menschen und Staaten.

Die soziale Basis dieser nekrophilen Herrschaftsform besteht aus jenen sozialen Gruppen, die durch die „Modernisierung“ der Staatsgesellschaft sozial abgestiegen  waren, vor allem:

  • die durch die Landreform sozial abgestiegenen ehemaligen Großgrundbesitzer,
  • das durch das Industrialisierung sozial abgestiegene zersetzte traditionelle Kleinbürgertum, die kleine Gewerbetreiber und  traditionelle Großhändler (Bazar), die sich in religiösen Netzwerken seit Jahrzehnten zusammengeschlossen hatten,
  • die durch die Säkularisierung der Bildung und des Justiz zunehmend entfunktionalisierte Geistlichkeit,
  • die durch die „Verwestlichung“ überforderten konservativen Männer und Frauen,
  • jene Menschen, die die Familienrechtsreform und Frauenwahlrecht sowie die Gleichberechtigung aller Konfessionen als eine unerträgliche Macht- und Statusverlust  erlebten,
  • die entwurzelten Massenindividuen, die seit der „Landreform“ in den sechziger Jahren in die Städte wanderten und statt sich zu urbanisieren zur Verdörflichung der Städte beitrugen.

Ihre gemeinsame Identifikation miteinander über ihren charismatischen Führer, Khomeini, konstituierte die Massenbasis des Khomeinismus in Gestalt der sozialen Bewegung der „islamischen Gemeinschaft“ mit ihrer inzestuösen Symbiose mit Khomeini, als Quelle ihrer narzisstischen Befriedigung.  

Ihre Gewalttätigkeit ist Funktion ihrer Nekrophilie, ihres konfessionellen Narzissmus und ihrer inzestuösen Symbiose mit dem „Führer“ als einem Schutz gewährenden „Mutterersatz“, von dem sie sich nicht zu unterscheiden vermögen und jede Kritik über Ihn als eine existentielle Bedrohung empfinden.

Damit erweist sich die „Islamische Republik“ als ein Nachhinkeffekt des sozialen Habitus der Iraner, die sich entweder noch nicht gefunden oder wieder verloren haben und sich mehr oder weniger als unmündige Untertanen ihrem Führer unterwerfen.

Die „Grüne Bewegung“ ist daher der Nachholeffekt des sozialen Habitus der zunehmend rechtbewussten und mündigen Bürger, die ihre Bürger- und Menschenrechte erkämpfen.

Die „Grüne Bewegung“ als eine vielschichtige soziale Bewegung ist Produkt der sieben Hauptspannungsachsen der Gesellschaft:

  • Konflikte zwischen Regierenden und der zunehmend recht- und selbstbewusst gewordenen Regierten,
  • Konflikt zwischen Eigentümer der Produktions- und Konsumtionsmittel und abhängig Beschäftigen,
  • Geschlechterkonflikte,
  • Generationenkonflikte,
  • Ethnische und konfessionelle Konflikte
  • Moderne Wissenschaften und Religion als konkurrierende Orientierungsmittel und ihre Träger.
  • Außenpolitische Konflikte.

Erst durch realistische Lösungsstrategien im Rahmen der Menschenrechte für diese Hauptkonflikte hat die „Grüne Bewegung“ eine Zukunftschance, ohne in einem Determinismus befangen zu sein.

Die „Grüne Bewegung“ ist sehr vielschichtig, in der manche die unbelehrbaren systemtreuen Teile der „Reformisten“ eher ein Ordnungsfaktor sind als Interessenvertreter der diskriminierten Menschen. Dies kommt nicht nur in den letzten Äußerungen von Amirarjomand bezüglich der Systemtreue der Reformisten und der Aufforderung Khatamis zur „nationaler Versöhnung“ zum Ausdruck.

Diese lernunfähigen Teile der Reformisten, die gegenwärtig die Aufklärung zu einer ihrer zentralen Aufgabe erklärt haben, verklären eher statt aufzuklären, in dem sie scheinbar unparteiisch die gegenwärtigen Konflikte zwischen Khamenei und Ahmadinedjad als Bestätigung ihrer Behauptungen bezüglich Ahmadinedjad hervorheben; damit personalisieren sie ihn und machen daraus einen politischen Konflikt. Auf diese Weise verdunkeln sie die Tatsache, dass dieser Konflikt eine erneute Manifestation der chronischen institutionellen Krise der „Islamischen Republik“ ist.

Diese institutionelle Krise ist Funktion des Antagonismus zwischen der republikanischen Komponente der Verfassung und der in ihr verbrieften absoluten Herrschaft des Obersten Schriftgelehrten. Dieser Antagonismus ist nur aufhebbar entweder durch die Aufhebung ihrer republikanischen Komponente, so wie sie die etablierten Kerngruppen der Macht seit Jahrzehnten versuchen oder durch die Aufhebung der Herrschaft des Obersten Schriftgelehrten. Nur durch die Aufhebung dieser Quadratur des Kreises ist die chronische institutionelle bzw. Staatskrise lösbar.

 

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