Das fremde Kind

Das fremde Kind
© Aramesh

 

Ein Kindlein wurde uns geboren

im fernen Orient,

im Silberblau erscheint sein Stern,

so hell am Firmament.

 

Das Volk strömt zu dem Menschensohn,

um Liebe zu empfangen,

in Lumpen oder Prachtgewand

sind sie zu ihm gegangen.

 

Von Mund zu Mund ging eine Mär,

drei Weise sind erschienen,

sie brachten Weihrauch, Myrrhe, Gold

wollten der Liebe dienen.

 

Die Zeit verging, der Menschheit Traum

sucht ständig nach Erfüllung,

der Frieden fern, die Freiheit kaum,

weil alles nur Verhüllung.

 

Obwohl er nur ein Jude war,

malt man ihm blaue Augen

und auch sein rabenschwarzes Haar

blondiert mit gelben Laugen.

 

Ein fremdes Kind läuft durch die Nacht,

schaut still in helle Räume,

in denen sich im Glittertand

verbeugen Weihnachtsbäume.

 

Es klopft an Türen und ans Tor

und an den Fensterladen,

kein Mensch tritt aus dem Haus hervor,

das Kindlein einzuladen.

 

Sein dunkles Haar ist nass vom Schnee.

Es reibt die kalten Hände,

im Herzen regt sich tiefes Weh, 

erstarrt durch nackte Wände.

 

Auf kaltem Stein hockt es sich nieder,

so müd die Augen, Tränen fließen,

die Tropfen fallen in den Schnee,

aus dem - oh Wunder - Rosen sprießen.

 

Das Himmelsdunkel wird zum Licht,

sanft tönt es aus der Ewigkeit:

„Komm endlich heim, mein liebes Kind,

die Menschen sind noch nicht so weit.“

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